Kunstbetrieb - die große Verunsicherung (eine Polemik)
Durch die Entwicklung des Kunstmarktes und der Kunstkritik ist teilweise ein Klima entstanden, in dem das offene Wort nicht möglich und das offene Ohr verschlossen ist. Berechtigte Fragen sind verboten; wer sie dennoch stellt, gilt als Ignorant, kommt auf die schwarze Liste der Kunstbanausen - und was nun wirklich schmerzhaft ist - er wird aus der selbst ernannten “Avantgarde” verstoßen!
“Was schert es mich also, dass ich diesen sündhaft teuren Steinhaufen in Wirklichkeit nicht leiden kann und auch sonst nicht begreife, warum die “Kunstkenner” in Entzücken verfallen, wenn sie diese Ansammlung hässlicher Materialien sehen - dieser Steinhaufen hebt mich heraus und macht mich als ihren Besitzer zu etwas Besonderem. Ich weiß, der Steinhaufen , so und nur so geschichtet, sagt uns etwas. Keine Ahnung was, aber der Künstler hat fast prophetische Augen, die monatlich erscheinende Kunstbibel hat über das Ding berichtet, Museen sind interessiert - ist ja nicht ihr Geld - und alle zusammen ergeben schließlich den Maßstab, ob der Steinhaufen wirklich Kunst ist oder nicht!...”
Oft genug wurde in den letzten Jahren Banales und Infantiles zum Kunstereignis hoch gejubelt. Käufer wurden verunsichert und abgeschreckt. Einige haben resigniert und ignorieren die zeitgenössische Kunst mehr und mehr - andere geben sich auf Vernissagen interessiert, kaufen aber selten etwas und gestehen nur unter vier Augen, dass sie solch einfältiges Schaffen eigentlich langweilt. Alles schon mal irgendwo gesehen. Keine Herausforderung für den Geist. Globalisierte Kunst, geglättet und ohne Differenzen und Dissonanzen - von einigen Schockeffekten abgesehen, wenn z. B. ein Gynäkologenstuhl in ein Aquarium versenkt wird, so dass die Fische was zu gucken haben... Irgendwie konnten die es früher einfach besser... Es ist nicht zu übersehen, dass sich viele Werke der zeitgenössischen Kunst auf Materialeffekte oder Zaunpfahlsymbolik reduzieren lassen. Inhaltsscheu und äußerst dürftig in der Umsetzung wird dennoch der höchste Anspruch erhoben. Man habe den Menschen Wichtiges mitzuteilen, wenn man eine Plastikplane über einen Stuhl hängt, eine Pyramide aus Steinen baut, eine Pappwand um einen Baum stellt oder die Abfahrtszeiten von Zügen an Häuser nagelt, um zu zeigen, man könne jetzt auch woanders sein... Man wolle durch solche Aktionen Fragen im Kopf des Betrachters entstehen lassen, quasi durch Verwirrung Augen öffnen, so dass sich im Kopf des Betrachters das Kunstwerk vollende, eine neue Sicht der Dinge entstehe, eine Art Interpretation der Welt... usw. Oft genug führt aber nur die mangelnde Klarheit der Gedanken des Künstlers seine Hand. Oder ist er gar ein Faulpelz, der dem Betrachter die Arbeit überlässt? Wen wundert’s, wenn es jüngst eine Ausstellung “nicht gemalter Bilder” gab?
Solch “verkopfte” Kunst vernachlässigt wesentliche Bereiche, wird oft genug elitärer Selbstzweck und bleibt eben deshalb ohne die gewünschte Wirkung. Einen Anspruch zu erheben ohne eine tragfähige Umsetzung zu bieten, zeigt aber zunächst nur mangelnde Qualität. Ob es in der heutigen Kunst noch Qualitätskriterien geben kann, wird zu Recht kontrovers diskutiert. Aber - und das hat etwas mit Erkenntnistheorie zu tun - keine Erkenntnis ohne sinnliche Erfahrung. Dies gilt besonders für Künstler, wenn sie die Menschen ernsthaft erreichen wollen ...
Wahr ist, dass die neue zeitgenössische Kunst in Konkurrenz zu den Klassikern steht und dass sie sich nur durchsetzen wird, wenn sie neue Qualitäten bietet. Diese müssen erfahrbar sein und nicht nur behauptet werden.
“Seht her”, argumentiert man, “die Besucherzahlen bestätigen uns! Die Medien berichten, also ist das große Kunst!” Tatsächlich? Oder hat vielleicht nur die Werbestrategie kapitalkräftiger Eventkünstler gefruchtet? Und die Karawane zieht unberührt weiter bis zum nächsten Megaereignis?
B. Fischer
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