Expressionismus III - Die Maler der “Brücke”
 
Auszüge aus dem Arbeitstext zur Radiosendung “ Die Kunststunde “ am 28.06.2012
 (Hinweis: die Zitate und Quellen sind nicht gekennzeichnet !)

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Hallo liebe Kunstfreunde,

wir haben uns in den letzten Sendungen oft auf Reisen begeben, meist waren wir in Frankreich, genauer gesagt in Paris; heute wollen wir uns in Deutschland aufhalten, aber wir gehen in der Zeit zurück, und zwar in das Jahr 1905.
In diesem Jahr wurde in Dresden die Künstlergemeinschaft " Die Brücke " gegründet. Parallel zu den "Fauves“ , (den Wilden), die im Jahre 1905 in Paris ausgestellt hatten, gründete sich auch in Deutschland die erste expressionistische Künstlergruppe, die bis zu ihrer Auflösung im Jahre 1913 existierte.
In Frankreich hatten Henri Matisse, Pierre Bonnard, André Derain, Kees van Dongen und Maurice de Vlamink mit ihrer Ausstellung im Salon der Unabhängigen die Kunstszene aufgemischt; jetzt sollten sich auch in Deutschland Maler zusammenfinden, die eine neue Art der Malerei wollten. Zu ihnen gehörten Fritz Bleyl, Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff und später Max Pechstein. Bleyl und Kirchner hatten sich 1902 an der technischen Hochschule in Dresden kennengelernt, Heckel und Schmidt-Rottluff waren sich bereits im Jahre 1901 als Gymnasiasten in Chemnitz begegnet. Dass auch sie später nach Dresden übersiedelten und sich an der dortigen Hochschule immatrikulierten ließen, muss wohl Schicksal gewesen sein.
Die vier Architekturstudenten wurden Freunde und stellten bald fest, dass sie lieber Künstler werden wollten. Sie hatten ein gemeinsames Ziel, das darin bestand, Leben und Kunst harmonisch zusammenzuführen. Ein normales, bürgerliches Leben erschien ihnen nicht erstrebenswert. Sie wollten vielmehr ein Leben für die Kunst führen und dafür die Kunst lebendig machen. Das sinnliche Empfinden wurde ihr entscheidendes Ausdrucksmittel.
Nicht ohne Grund hatten sie sich in einem Arbeiterviertel niedergelassen. Hier – so glaubten sie – waren sie der Natürlichkeit und Unverfälschtheit am nächsten.

Erich Heckel mietete für zehn Mark monatlich einen ehemaligen Schusterladen, den die jungen Maler in ein Atelier umwandelten und nach ihren Vorstellungen einrichteten. Bunt bemalte Kisten dienten als Mobiliar, der ganze Raum wurde mit selbst bedruckten Batiken verhängt. Es wurde gezeichnet und gemalt, Hunderte von Blättern am Tag. (Anmerkung nebenbei: Später wurden diese Arbeiten meist von den Künstlern selbst vernichtet oder als Jugendeseleien abgetan) Das Atelier wurde auch eine Heimstatt der Menschen, die gezeichnet wurden: Sie lernten von den Malern, die Maler von ihnen. ") Unmittelbar und reichhaltig nahmen die Bilder das Leben auf".
Zu den bevorzugten Motiven der Maler zählten Akte und Landschaften; ganz gleich, ob es sich um Ölbilder, Aquarelle oder grafische Arbeiten handelte. (Man muss wissen, dass weibliche Aktmodelle in Akademien erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts zugelassen wurden; bis dahin mussten auch für den weiblichen Akt die Herren der Schöpfung Modell stehen; und die neigen zu antiker Manier.) Akademische Aktzeichnungen wirken bis heute gekünstelt und geziert; es sind Figuren in unnatürlichen Posen.
Diese Unnatürlichkeit widerstrebte den vier Künstlern. Ihnen war vielmehr daran gelegen, den Akt " in freier Natürlichkeit zu studieren". Fritz Bleyl-Modell 

Fritz Bleyl berichtete über die Anfangszeit, als sie sich noch bei Kirchner zum gemeinsamen Malen trafen:

"Wöchentlich einmal kamen wir regelmäßig bei Kirchner zusammen. Der Wunsch, nach dem lebenden Modell zu zeichnen, wurde verwirklicht und sogleich durchgeführt, nicht in herkömmlicher akademischer Weise, sondern als ´Viertelstundenakt´. Bald hatten wir als Modell ein bezauberndes junges Mädchen, fast noch ein Kind, die etwa 15 -jährige Isabella gefunden; ein quicklebendiges, schön gebautes, durch keine Korsett- Mode-Torheit verunstaltetes, fröhlich und gewandt auf unsere Ansprüche eingehendes Persönchen… Mit wahrer Begeisterung wurde eine Stunde lang, wohl auch länger, gearbeitet und manche gelungene Akt- und Bewegungszeichnung hingelegt, ja, hingehauen… oft wurde der Platz schon bei Halbzeit der Viertelstunde gewechselt, wir waren von geradezu herrlicher Arbeitswut besessen…"

Wir haben es am Anfang also mit vier jungen Männern zu tun, die als Künstler leben wollen. Sie sind Autodidakten, ohne Berufserfahrung und dementsprechend ohne jegliche Referenzen. Aber – sie wollen ihre Werke ausstellen und verkaufen. Da ist es zweifellos sinnvoller, sich als Gruppe zu präsentieren; sich als Unbekannter und als Einzelner irgendwo zu bewerben, gar in einer der bekannten Dresdner Kunstsalons, wäre aussichtslos gewesen.

Nun, eine Gruppe war man bereits: was immer man tat, man tat es gemeinsam, und das wiederum beflügelte jeden, war hilfreich und nützlich zugleich; praktische Erfahrungen ließen sich im Kollektiv leichter und schneller sammeln, gegenseitige Kritik spornte zu höheren Leistungen an und der Austausch von Gedanken, Arbeitsmaterialien und Modellen brachte stets neue Anregungen mit sich. – Was fehlte, war ein schlagender Name für die Künstlervereinigung.
 Schmidt-Rottluff machte den Vorschlag, sich "die Brücke" zu nennen; er fand (Zitat):"… das sei ein vielschichtiges Wort; würde kein Programm bedeuten, aber gewissermaßen von einem Ufer zum anderen führen. Wovon wir weg mussten, war uns klar – wohin wir kommen würden, stand allerdings weniger fest. "

Genauso wenig stand fest, wie man sich finanzieren wollte. Aber man hatte eine Idee: man beschloss, auch passive Mitglieder in den Kreis der Brücke aufzunehmen. Diese mussten einen Jahresbeitrag bezahlen und erhielten dafür jährlich eine Mappe mit 3-4 Originalgrafiken. (Diese Grafiken gehören heute zu den wertvollsten Dokumenten der Gruppe). Der Jahresbeitrag betrug 1906 zwölf Mark, später 25 Mark. 1910 zählte man bereits 68 passive Mitglieder, die durch Jahresberichte und sonstige Mitteilungen über den jeweils neuesten Stand der Dinge auf dem Laufenden gehalten wurden. Durch die passiven Mitglieder wurde man bekannter, und man bemühte sich, besonders Personen des Kunstbetriebes und schon bekannte Künstler zu gewinnen.

Emil Nolde wurde 1906 wegen seiner Erfolge als Grafiker zum Beitritt aufgefordert. Schmidt-Rottluff schrieb damals an Nolde: "Eine der Bestrebungen der Brücke ist, alle revolutionären Elemente an sich zu ziehen; das besagt der Name Brücke. " Emil Nolde trat der Gruppe bei, aber nicht für lange. Der geborene Einzelgänger konnte an dem gemeinschaftlichen Schaffen auf Dauer keinen Gefallen finden. Ihm gingen die jungen Künstler auf die Nerven, die Bilder waren ihm zu ähnlich, und nach gut einem Jahr schied er bereits wieder aus der Vereinigung aus. Dabei hatten sich die Maler gerade von Noldes Mitgliedschaft sehr viel versprochen und ihn mit jährlichen Ausstellungen in ganz Deutschland, sogar mit der Absicht eines eigenen Ausstellungsraumes gelockt – für den aber natürlich das Geld fehlte. In späteren Jahren bezeichnete Nolde seinen Beitritt als „Torheit“. (Ungeachtet dessen hatte man aber durchaus voneinander profitiert: Nolde lernte die Holzschnitttechnik der anderen kennen, diese wiederum die Technik der Noldeschen Radierungen…)

Durch den Künstler Erich Heckel wurde Max Pechstein im Jahre 1906 als ständiges Mitglied der Brücke gewonnen. Er war der einzige Künstler, der an einer Kunstakademie studiert hatte, und der sich durch die Gruppenarbeit inspiriert fühlte. Für ihn wurde die „Brücke“ zum Steigbügel für Erfolg. Seine Werke waren verständlicher als die seiner Kollegen, und er gelangte später als erster zu Ansehen.

Die erste Ausstellung der Gruppe aber war den organisatorischen Fähigkeiten Erich Heckels zu verdanken. Heckel, der seinen Lebensunterhalt anfangs noch in einem Architektenbüro verdiente, nutzte die Beziehungen, die sich aus seiner Arbeit ergaben;
er überredete einen Fabrikanten von Beleuchtungskörpern, seinen neuen Ausstellungsraum für Lampen doch für Ausstellungen zur Verfügung zu stellen. Gesagt, getan. Die Ausstellung erregte in der Öffentlichkeit kein übermäßiges Aufsehen, aber immerhin erschien in der Dresdner Tagespresse ein Artikel. Man war also im Gespräch...
An einer zweiten Ausstellung 1906 nahm unter anderem auch Kandinsky teil.
 Max Pechstein-Ausstellungsplakat Bei der dritten Dresdner Ausstellung im September 1907 stellte man Grafiken im Musterraum des Lampenfabrikanten aus; Emil Nolde, Max Pechstein und andere waren in der glücklichen Lage, ihre Bilder erstmals in einer renommierten Galerie, dem Kunstsalon Richter, zeigen zu können.
Das Ergebnis war ein Sturm der Entrüstung bei Publikum und Presse. Schonungslos ging man mit den Malern ins Gericht. Sie seien geisteskrank und unzurechnungsfähig, die Bilder seien fürchterliche Stümpereien. Einige Zitate: … eine so elende und schmierige gemeine Stümperei eines Nichtskönners hat sich wohl noch nie ans Licht der Öffentlichkeit gewagt wie diese Plakatzeichnung
(gemeint ist das Ausstellungsplakat von Pechstein)... von einem armseligen Kleckser hingepinselt … dass eine Jury solch gräuliche Schmierereien zur Ausstellung zulässt… man fragt sich, ist es denn möglich, dass noch schlimmeres Zeug gemalt werden kann…“
Die Kritik war vernichtend, aber: die Brücke war mit einem Schlag in aller Munde. Kein Grund also, Zweifel an der Richtigkeit und Bedeutung des eingeschlagenen Weges aufkommen zu lassen.

Zu den bekannten Malern der Brücke gehört auch Otto Müller, der 1910 dazu kam und sich an den gemeinsamen Ausstellungen in Berlin beteiligte. Nach Berlin war man 1911 übergesiedelt; man hoffte dort auf mehr Möglichkeiten. In Berlin war pulsierendes, fortschrittliches Leben. Hier trafen die avantgardistischen künstlerischen Bewegungen der Zeit zusammen, hier waren auch die Wurzeln des literarischen Expressionismus zu finden. Man konnte Kontakte knüpfen, auch zu Publizisten und Kritikern wie Kurt Hiller, zu Herwarth Walden, der den „Sturm“ herausgab usw. Nur in finanzieller Hinsicht änderte sich zunächst wenig. Man hauste in primitiven Dachkammern, die man versuchte wohnlich herzurichten. Mit phantastisch geschnitztem Hausrat, oft aus Kisten gezimmert; mit unverkauften Bildern, die jeden Winkel ausfüllten. „ Nie habe ich in diesen niedrigen, ganz und gar verstellten Zimmern ein richtiges Bett gesehen…“

Im Dezember gründete Kirchner zusammen mit Max Pechstein eine Malschule namens MUIM-Institut („Moderner Unterricht in Malerei“), die aber keinen Erfolg hatte.
 Kirchner-Strassenszene

In Kirchners Bildern war jedoch eine Veränderung bemerkbar. So wurden seine runden Formen nun zackiger, die Striche erschienen nervöser (vielleicht durch den Kontrast von Landschaft und Großstadt, den er jetzt erfuhr), seine Farben ließen in der Leuchtkraft nach. Straßenszenen tauchten in seinem Werk auf. Heute sind diese Straßenszenen die gefragtesten und teuersten Bilder des Künstlers.

Unter dem Einfluss des Kubismus, den man in Berlin kennenlernte, wurden die Farben gedämpfter; zivilisationskritische und gesellschaftskritische Tendenzen flossen in die Bildersprache ein.

Die Maler der Brücke galten bald als wichtige Repräsentanten des deutschen Expressionismus.

 

Das erste - man kann auch sagen - öffentliche Programm der Brücke, hatte Kirchner verfasst und 1906 - man mag es kaum glauben - in Schriftform in Holz geschnitten. Es lautet: "mit dem Glauben an Entwicklung, an eine neue Generation der Schaffenden(…) rufen wir alle Jugend zusammen, und als Jugend, die die Zukunft trägt, wollen wir uns Arm- und Lebensfreiheit verschaffen gegen über den wohlangesessenen, älteren Kräften. Jeder gehört zu uns, der unmittelbar und unverfälscht das wiedergibt, was ihn zum Schaffen drängt.“

Der Name "Brücke“ bedeutet somit "Brücke zur Zukunft", von einem Ufer auf das andere.

Kirchners Text ist jedoch kein eigentliches Programm, sondern eher ein Appell an die junge Generation, sich vom Ballast akademischer und moralischer Traditionen zu lösen… Statt auf Ausgleich und Harmonie setzten diese Maler auf die Spontanität der Emotionen.
 Schmidt-Rottluff, rote Düne Wie die Fauvisten in Paris nutzte man die Strahlkraft der reinen Farbe und der ausdrucksgeladenen Linie. Man malte mehr nach dem Instinkt, nutzte harte Kontraste der Komplementärfarben, nutzte grelle Form- und Farbkompositionen. Man suchte die Ursprünglichkeit und die Einfachheit, wie man sie auch bei der Kunst primitiver Völker vorfand. Ein Bild sollte innere Anteilnahme und die Leidenschaft des Künstlers wiederspiegeln. (Ernst Ludwig Kirchner hat in einigen Schriften berichtet, wie er bereits 1903 im Dresdener Völkerkundemuseum die Kunst der Schwarzafrikaner gefunden und bewundert hatte. Er war einer der ersten modernen Künstler, der eine (Zitat) Parallele zu unserem eigenen Schaffen entdeckte, und für seine eigenen Holzskulpturen übernahm.
(Zitat):" Alle diese Gestalten haben traumhaft große Gesichter und sind von schwerer innerer Bewegung erfüllt".

Während des Sommers arbeiteten die Brückemaler oft in der Natur. Hören wir dazu Max Pechstein:
 „Als wir in Berlin beisammen waren, vereinbarte ich mit Heckel und Kirchner, dass wir zu dritt an den Seen um Moritzburg nahe Dresden arbeiten wollten. Die Landschaft kannten wir schon längst, und wir wussten, dass dort die Möglichkeit bestand, unbehelligt in freier Natur Akte zu malen. Als ich in Dresden ankam und in dem alten Laden in der Friedrichstadt abstieg, erörterten wir unseren Plan. Wir mussten zwei oder drei Menschen finden, die keine Berufsmodelle waren und daher Bewegungen ohne Atelierdressur verbürgten.
Ich erinnerte mich an meinen alten Freund, den Hauswart in der Akademie – ich weiß nun wieder, dass er Rasch hieß –, und er hatte sogleich nicht bloß einen guten Rat, sondern auch jemanden an der Hand und wurde so unser Nothelfer. Er wies uns an die Frau eines verstorbenen Artisten und ihre beiden Töchter. Ich legte ihr unser ernstes künstlerisches Wollen dar. Sie besuchte uns in unserem Laden in der Friedrichstadt, und da sie dort ein ihr vertrautes Milieu vorfand, war sie damit einverstanden, dass ihre Töchter sich mit uns nach Moritzburg aufmachten.
Wir hatten Glück auch mit dem Wetter: kein verregneter Tag. … Wir Malersleute zogen frühmorgens mit unseren Geräten schwer bepackt los, hinter uns die Modelle mit Taschen voller Fressalien und Getränke. Wir lebten in absoluter Harmonie, arbeiteten und badeten. Fehlte als Gegenpol ein männliches Model, so sprang einer von uns dreien in die Bresche. Hin und wieder erschien die Mutter, um als ängstliches Huhn sich zu überzeugen, dass ihren auf dem Teich des Lebens schwimmenden Entenküken nichts Böses widerfahren sei. Beschwichtigten Gemüts und von Achtung vor unserer Arbeit durchdrungen, kehrte sie immer nach Dresden zurück. Bei jedem von uns entstanden viele Skizzen, Zeichnungen und Bilder."

Zu diesen Ausflügen an die Moritzburger Seen wurden die Künstler oft von Doris Große, genannt „Dodo“, begleitet, einer Modistin aus Dresden, die für zwei Jahre Kirchners Modell und Geliebte blieb.
Ab 1909 diente auch die junge Lina Franziska Fehrmann, genannt „Fränzi“, als Modell für die Maler Heckel, Pechstein und Kirchner. Im Sommer an den Moritzburger Teichen, im Winter in den Dresdner Ateliers wurde sie von den Künstlern oft skizziert, gezeichnet, gemalt und in druckgrafischen Techniken porträtiert.
 Otto Mueller -2 badende Mädchen Etliche Bilder entstanden dort, an den Moritzburger Seen: weibliche Modelle in der offenen Wiesen- und Seelandschaft, die als Ausdruck der Einheit zwischen Natur und Mensch verstanden werden sollten. Der nackte Mensch sollte sich hier in aller Ungezwungenheit und Natürlichkeit bewegen, wie es die Motive im Völkerkundemuseum demonstrierten.
Diese Art der Kunstherstellung war für die jungen Künstler gewiss angenehm, das kann man sich vorstellen: nackte, hübsche Mädchen am See zu malen war bestimmt nicht nur ernsthafter Arbeitsethik geschuldet - obwohl die Bilder das nahelegen.
Ausgehend von dem" blauen Akt", den Matisse 1907 gemalt hatte, wählte Kirchner für den Körper seines Modells ein kräftiges Blau, das von roten Umrissen eingefasst wird. Kirchner ging es darum, das sommerliche Erlebnis in einfachen und wenigen Farben spontan umzusetzen. (Zitat): ... geben wollte ich den Reichtum, die Freude des Lebens, wollte die Menschen malen in ihrer Tätigkeit.... Die Liebe gestalten wie den Hass. "

 Kirchner, Selbstbildnis mit Modell Bei einem anderen Bild, dem "Selbstbildnis mit Modell", steigert Kirchner die dekorativen Bildelemente in harten Farbkontrasten: Blau und Orange schon im langen Mantel des Malers, Rot und Grün im Boden und Wandteppich. Das halb entblößte Modell sitzt im Rücken des stehenden Malers, der sich wie zum Schutz mit einem schweren Mantel bekleidet hat. Oberkörper und Füße sind nackt. Aus schmalen Augenschlitzen beobachtet die Frau den Künstler, der sich in seiner aufgesetzten Pose selbstsicher und teilnahmslos gibt. Die Farbigkeit des Bildes deutet auf ein Drama, in diesem Fall auf die erotische Spannung zwischen Maler und Modell.

1913 verfasste Kirchner in Köln eine Chronik über die Brücke, in der er seine Bedeutung für die Künstlergruppe stark überbetonte und die Leistung der anderen herabsetzte. Er datierte Bilder um und verfälschte Tatsachen. Das war kein schöner Zug von ihm, unfair und egoistisch. Natürlich kam es zum Streit mit den anderen verbliebenen Mitgliedern, in dessen Folge Kirchner austrat. Das führte zur endgültigen Auflösung der Gruppe.
( Überhaupt: Kirchner war ein seltsamer Mensch; labil auf der einen Seite, schlitzohrig auf der anderen. Es gibt ja etliche Schriften und Aufsätze über ihn, auch lobende Kritiken eines Louis de Marsalle. Hinter diesem kraftvollen Pseudonym steckt aber der Künstler höchstpersönlich, als sein eigener Interpret und Kritiker. Das verschaffte ihm nach außen eine gewisse Neutralität und milderte zugleich, was sonst nach Eigenlob geklungen hätte. Man muss zugeben: Er ließ nichts unversucht, für seine Kunst zu werben.

Nun, liebe Hörerinnen und Hörer, man darf sich die damalige Zeit nicht als eine Sturm- und Drangperiode junger Menschen vorstellen, die locker ihre Lebensmöglichkeiten ausloten konnten; die Spaß und Streit hatten. 1914 war der Erste Weltkrieg ausgebrochen mit all seinen Grausamkeiten und traumatischen Erlebnissen. Davon blieben auch die jungen Künstler nicht verschont.

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges meldete sich Kirchner wie viele junge Idealisten freiwillig zum Militär und wurde Fahrer bei einem Artillerieregiment. Im Frühjahr 1915 kam der Künstler als Rekrut nach Halle an der Saale. Dort gab es Druck, Drill und Schikanen, die er irgendwann nicht mehr ertrug und die zu einem Nervenzusammenbruch führten. Er geriet in Abhängigkeit von Medikamenten (anfangs Veronal, später Morphin) und brach immer wieder körperlich und seelisch zusammen. Am Ende des Jahres wurde er vom Dienst befreit und in das Sanatorium von Königstein im Taunus eingeliefert. Auf der Suche nach dauerhafter Heilung übersiedelte er Ende des Krieges nach Davos in die Schweiz, wo er sich auf einer abgelegenen Almhütte einrichtete und zahlreiche Berglandschaften und Bauernbilder malte. Heute wissen wir besser als damals, was ein Kriegstrauma bewirkt. Für Kirchner kam hinzu, dass er sehr unter der zunehmenden Isolierung und vor allem unter der Ablehnung seiner Werke litt. Sein Lebenswerk wurde im Nazi-Deutschland als entartet missachtet und lächerlich gemacht. Seine Depressionen verstärkten sich; 1938 beging er Selbstmord.

Den engsten Kontakt hatte Kirchner immer mit Heckel gepflegt, den eigentlichen Organisator der Gruppe. Während Kirchner oft seelische und erotische Spannungen thematisierte, interessierte Heckel sich in seinen Bildern für die Darstellung von Einsamkeit und Trostlosigkeit. Trotz der grellen Farben fehlt den Figuren aber jede Aggressivität, jede Anklage. Erich Heckel wollte in seinen Landschaftsbildern und den Porträts geistige Kraft und innere Sammlung veranschaulichen; eine Ruhe und Melancholie zeigen, wie er sie bei van Gogh gespürt hatte. Es gibt ein Bild mit Schiffen im Hafen von Stralsund, einen Nacht-Szene, mit hängenden Netzen. An einer Reling umarmen sich zwei Menschen; dunkle Masten und schwere Segel ragen zwischen rotglühenden Häuserfronten in den Nachthimmel. Stille und Leere liegt über dieser durchkomponierten Szenerie.
 Erich Heckel, 2 Mädchen am Wasser

Wie Ludwig Kirchner war auch Heckel 1911 nach Berlin übergesiedelt und hielt sich im Sommer auf der Insel Fehmarn und an der Flensburger Förde auf. Hier entstanden zahlreiche Strandszenen mit Badenden, in denen das Zusammenwirken von Mensch und Natur zum Hauptthema wird. Für Heckel bedeutete die expressive Malweise, sich in den Rhythmus der Natur einzufühlen.

 

 

 Schmidt-Rottluff, rote Düne Schmidt Rottluff, der sich seit 1905 nach seinem Geburtsort Rottluff bei Chemnitz nannte, war ein anderes Kaliber, kein empfindsamer Poet wie Heckel. Eher temperamentvoll. Zusammen mit Emil Nolde hatte er sich oft an der Nordsee aufgehalten. Er wohnte zwar wie seine Malerfreunde in Berlin, mied jedoch die Großstadt und fühlte sich in dem Nordseebad Dangast viel wohler. Seit 1907 zog er sich regelmäßig dahin zurück. Er suchte den weiten Atem der Natur, wie er es einmal ausdrückte.


 Karl_Schmidt-Rottluff,DeichdurchbruchEines seiner Bilder trägt den Titel Deichdurchbruch. Es zeigt eine steile Düne, über die eine labile Holzbrücke führt. Die Sandfläche ist rot und scheint zu brennen. Dunkle Linien bilden die Begrenzung. Seit Vincent van Gogh hatte kaum ein anderer Maler sich an so machtvolle Farben gewagt. Alle Details, die ablenken könnten, fehlen, die Natur wird auf wenige große Flächen reduziert. Man merkt: der Künstler selbst wird von der Landschaft so sehr gepackt, dass er versucht, diese Kraft als Mysterium der Farbe umzusetzen.
Den Sommer 1913 verbrachte Schmidt-Rottluff, wie zuvor Pechstein, im Fischerdorf Nidden an der Kurischen Nehrung. Hier malte er eine Vielzahl von Akten, oft füllige Frauen, die mit der kargen Dünenlandschaft verschmelzen. Alle Bildelemente sind stark an die Fläche gebunden und ergeben wie bei den Holzschnitten des Künstlers einen harten und eckigen Rhythmus. Die Figuren sind anonym und typisiert, es sind eher die Landschaften, die heroisch aufleuchten.

 Pechstein-liegender Akt mit Katze Max Pechstein hatte 1907 Paris besucht und dort 1908 im Salon der Unabhängigen ausgestellt. Er war als Brückemaler gekommen und hatte somit tatsächlich eine Brücke zwischen Paris und Dresden geschaffen. Pechstein lebte seit 1908 in Berlin, hielt sich aber mit seinen Malerfreunden in Dresden und an Moritzburger Seen auf, wo er nach den gleichen Modellen arbeitete. Wie Schmidt-Rottluff und Emil Nolde war auch Pechstein fasziniert von dem einfachen Landleben. Auch bei ihm verschmelzen Mensch und Natur, aber die Bilder sind weniger heroisch und kontrastreich. Dennoch: Wie andere hatte auch ihn die Sehnsucht nach ursprünglichen Lebensräumen gepackt. 1913/14 brach Pechstein zu den Palau-Inseln auf. Wie zuvor Paul Gauguin wollte er das Leben der Eingeborenen studieren. Und wie zur Bestätigung seiner Kunst entdeckte er kurz nach seiner Ankunft farbige Schnitzereien wie jene, die er und seine Malerfreunde zuvor in Dresden bewundert hatten. Otto Mueller, 3 Mädchen im Wald1 

Auch Otto Mueller, der den Brückemalern angehörte, suchte ein ursprüngliches und zurückgezogenes Leben, allerdings nicht in fernen Ländern oder Kulturen, sondern bei den Zigeunern in Böhmen und den Balkanländern. Otto Mueller malte vorwiegend verträumte Frauenakte mit hageren Gesichtern und schlanken Körpern. Seine Bilder zeigen keine grelle Farbigkeit, sie sind eher verhalten und subtil, mit eher gedämpften Tönen gemalt. In Anlehnung an die altägyptische Malerei bevorzugte er trockene und spröde Leimfarbe, so dass die Mädchenakte fast wie Terrakotten wirkten. Die Mädchenfiguren verstand er als Symbole des ungebundenen, vagabundierenden Lebens. Otto Mueller-Zigeunerliebespaar1

  In dem Bild "Zigeunerliebespaar" füllt das Paar den ganzen Bildraum. Es steht vor einer Gartenmauer, Licht tropft durch das dichte Blattwerk und sammelt sich auf dem Körper des sich sinnlich darbietenden Mädchens. (Zitat) "Hauptziel meines Strebens ist, mit größtmöglicher Einfachheit Empfindung von Landschaft und Mensch auszudrücken".

Als Emil Nolde 1906/07 der "Brücke" angehörte, -was er später bereute- war er bereits ein erfahrener Maler und Grafiker. Im Gegensatz zu seinen Malerkollegen in Dresden suchte er kein neues Lebensgefühl in pantheistischen Ansätzen, sondern eher eine Kontinuität und einen Halt im religiösen Bild. Seine Gestalten sind meist zusammengerückt; ernste, maskenhafte Gesichter, aus denen eine große Ruhe und Kraft strömt. Das bedeutendste Werk religiöser Art ist der neunteilige Altar " Das Leben Christi“.
Im Jahr 1911 hatte Nolde den Belgier Ensor in Ostende besucht, dessen dämonisch-skurrile Werke er bewunderte. Unter seinem Einfluss entstanden mehrere Bilder mit exotischen Masken. Die (Zitat) "fantastisch urweltlichen Wesen“ stattete Emil Nolde mit schwelgerischen Farben aus. Wie in vielen seiner Meeresdarstellungen sucht er auch hier (Zitat) "die absolute Ursprünglichkeit, den intensiven, oft grotesken Ausdruck von Kraft und Leben in allereinfachster Form“. - Nun, liebe Kunstfreunde, es kommt nicht oft vor, dass Wünsche oder Wille in die Realität umgesetzt werden. Die absolute Ursprünglichkeit, Kraft und Leben in einfachster Form kennen zu lernen, bleibt meist ein frommer Wunsch. Für Emil Nolde ging er in Erfüllung, als er 1913 als Mitglied einer Expedition zur Erforschung der Eingeborenen in den deutschen Schutzgebieten über China nach Neuguinea aufbrach. Was für eine Erfahrung!
Emil Nolde wurde vom Zauber der dortigen Landschaft und der Bewohner stark ergriffen. Dort, vor Ort, entstanden Arbeiten, die zum besten Teil seines Gesamtwerkes gehören. Die Südsee vermittelte jene Ursprünglichkeit, jene Lebendigkeit, die die Künstler des deutschen Expressionismus suchten.

 

Ausstellungshinweise (Provinz)

  • Am 15. Juli um 18:00 Uhr gibt es eine Ausstellungseröffnung von Albert Meagle und Christa Hillekamp im Casa de la Cultura, Cuesta del Apero, in Frigiliana.
    Die Ausstellung geht vom 15. Juli bis 14. August 2012.
    Öffnungszeiten: Mo-Fr 10-15 , 17-21
                  Sa/So 10-14 , 16-20
     
  • Macharaviaya, Museo de los Gálvez, Avd de los Gálvez
    Gemeinschaftsausstellung verschiedener zeitgenössischer Künstler, Titel „Mani Obras“(Manöver), mit Tamara Taitseva, Wilfried Prager, Plácido Romero und Buly
    geöffnet am Wochenende (Sa + So, 11-15)