Hallo liebe Kunstfreunde,
manchmal gleicht unsere Kunststunde einer Zeitreise. So geht es auch heute wieder zurück, und zwar in das Jahr 1916. Im Cabaret Voltaire in Zürich sitzen eines Tages einige Künstler zusammen. Unter ihnen Hugo Ball und Richard Huelsenbeck. Sie kümmern sich nicht sehr um das laufende Programm, sie sind vielmehr damit beschäftigt, sich einen Künstlernamen für eine befreundete Künstlerin auszudenken. Es werden verschiedene Vorschläge gemacht, und irgendwann nehmen Sie ein deutsch-französisches Wörterbuch zur Hilfe und tippen mit dem Messer auf das Wort „Dada", dem französischen Begriff für Holzpferdchen bzw. Steckenpferd. Sie finden, das Wort passt ganz gut für Ihre Freundin, aber noch besser wäre es, den Begriff für jenen neuen Kunststil zu benutzen, dem sie sich seit neuem verschrieben haben - obwohl man eigentlich nicht von einem Stil im engeren Sinne reden kann...
Es tobt der erste Weltkrieg, Zürich ist gefüllt mit Immigranten und Kriegsgegnern verschiedenster Herkunft. Viele dieser Menschen sind desillusioniert und fühlen sich ausgeliefert. Auch vielen Künstlern geht es so. Sie halten den Krieg für sinnlos. Deshalb wenden sie sich gegen das herrschende politische System, das ihrer Meinung nach den Krieg unterstützt bzw. erst ermöglicht. Jene Künstler, - nennen wir sie ab jetzt Dadaisten - haben ihre Glauben an die bürgerlichen Ideale verloren. Wertvorstellungen wie Mut, Vaterlandsliebe gar und der Glaube an Gott werden in Frage gestellt, genauso wie der sich ausbreitende Nationalismus und Militarismus. Alles sinnlos. Hugo Ball schrieb damals in sein Tagebuch : „Da der Bankrott der Ideen das Menschenbild bis in die innersten Schichten zerblättert hat, treten in pathologischer Weise die Triebe und Hintergründe hervor.“
Und es ist nicht nur das politische System, gegen das sie sich wenden. Auch die Künste haben Ihrer Meinung nach versagt, selbst neue Strömungen wie der Expressionismus. “Die Kunst ist tot!” , rief man, “Die Kunst ist tot!” „Haben die Expressionisten unsere Erwartungen auf eine Kunst erfüllt, die uns die Essenz des Lebens in Fleisch brennt? …Nein! Nein! Nein!..." Es geht um Grundsätzliches: Und eines davon ist die Sprache, diese Sprache der Herrschenden. Sprache und Argumentation gelten für die Dadaisten als nicht länger vertrauenswürdig. Zu oft haben sie erlebt, wie die Politiker die Sprache benutzen und missbrauchen. Ehemals ehrwürdige Ideale werden für eigene machtorientierten Zwecke benutzt , duck eine Sprache, die den ursprünglichen Sinn von Begriffen verdreht. Durch Argumentation kann jedes noch so „niedrige“ Interesse in ein scheinbar ehrenvolles verwandelt werden. Daraus folgt für sie – zumindest in der Kunst: Man muss auf die Sprache verzichten. Ihr die eigentlichen Bedeutungen nehmen und nur den Tonfall von Lauten benutzen. z.B.. „sinnlose“ Gedichte schreiben, deren Worte oder Silben keinen Sinn ergeben; kein Inhalt durch Bedeutung, sondern nur durch einen beschwörenden Tonfall. Berühmtes Beispiel für solche Lautgedichte ist "Die Karawane" von Hugo Ball. (Video)
Für die Dadaisten steht die Provokation im Vordergrund. Vielleicht trifft der neudeutsche Begriff „Nonsens“ , also „Unsinn“ oder „ohne Sinn“ ganz gut den Dadaismus – wenn wir mal den Spaßfaktor beim Begriff Nonsens abziehen. Dadaismus ist „Nonsens“ ohne Schenkelklopfen. Die Welt ist ein Irrenhaus – zeigen wir den Irrsinn also als Irrsinn.
Dada empfindet sich als Narrenspiel aus dem Nichts und erklärt sich zum " Parodisten der Weltgeschichte". Das wiederum kann durchaus spaßig sein, wie aus einigen dadaistischen Satiremagazinen ersichtlich: „Soweit ist es nun tatsächlich mit dieser Welt gekommen. Auf den Telegrafenstangen sitzen die Kühe und spielen Schach.“ Oder wenn der Künstler sagt: " Ich bin Maler, ich nagele meine Bilder". An anderer Stelle wird behauptet: „ Nur durch die Arbeitslosigkeit gewinnt der Einzelne die Möglichkeit, über die Wahrheit des Lebens sich zu vergewissern und endlich an das Erlebnis sich zu gewöhnen." Und man fordert: „die Einführung des simultanistischen Gedichtes als kommunistisches Staatsgebet“, - und wenn nicht das, dann wenigstens: die " sofortige Durchführung einer grossdadaistischen Propaganda mit 150 Cirkussen zur Aufklärung des Proletariats“ "Bürger' Haltet euch an dem was ihr besitzt (...) Verbarrikadiert eure Gefühle Haltet euch am Besitz - euer gefährlichster Feind ist der Geist "
Die Dadaisten selbst nennen sich nicht „Dadaisten“. Für sie reicht das Wort "Dada" als Etikett. Damit wollen sie ausdrücken, dass sie sich keiner Ideologie angeschlossen haben. Denn ganz im Gegenteil wenden gerade sie sich gegen jede Form von Ideologien. Alle Werke sollten vielmehr die Sinnlosigkeit von Logik, Intellekt und bürgerlicher Kultur verdeutlichen. Kunst ist zu der damaligen Zeit vorrangig etwas, dass Museen überlassen wird, um darin ausgestellt zu werden. Dada war hingegen Anti- Kunst. Bei Bühnenauftritten z.B.. wurden "bruitistische" (frz. bruit = Lärm) Konzerte, groteske Tänze und Gedichte aus sinnlosen Wortfetzen von absurd kostümierten Menschen dargeboten. Lärm und Geräusche der Außenwelt wurden rezitiert oder Gedichte von mehreren Sprechern mit großem Durcheinander aufgesagt, so dass man nicht verstand. Solche Aufführungen sollten den Zuschauer provozieren und zur aktiven Reaktion auffordern. Man wollte das Publikum drängen, alles Ästhetische zu hinterfragen.
Die Dadaisten brechen mit der Tradition von Ausstellungen, in dem sie das Publikum aktiv in ihre Kunst mit einbeziehen. DADA ist die schöpferische Aktion in sich selbst. Bei einer Ausstellung 1920 in Köln mussten die Besucher die Ausstellungsräume durch eine öffentliche Toilette betreten. Drinnen las ein Mädchen in ihrem Erstkommunionskleid obszöne Verse vor und Max Ernst forderte die Besucher auf, ein bereitgestelltes Beil zu benutzen und damit die Ausstellungsstücke zu zerstören. Diese Ausstellung wurde sogar kurzzeitig von der Polizei geschlossen. Es war diese Provokation, um die es ging; man wollte gegen den etablierten Umgang mit Kunstwerken bewusst verstoßen. Übrigens eine Haltung, die bei den Happenings der 60iger und 70iger erneut aufgegriffen wurde… und heute niemanden mehr provoziert, es sei denn, ein Tier wird auf der Bühne geschlachtet. Am 17. Dezember 1969 wurde bei einer Aktion mit Hermann Nitsch in der Kunsthochschule Braunschweig auf Einladung des AStA ein Schwein geschlachtet und dabei Blut, diverse Materialien, Urin und Kot über eine nackte Frau geschüttet, dazu Weihnachtslieder über Lautsprecher gespielt. Oder denken wir an Otto Mühls Pissaktion, wobei drei nackte Männer um die Wette urinieren. Die erreichten Weiten wurden gemessen und an der Tafel notiert. Der Leadsänger der Heavy-Metal-Band Black Sabbath biss bei einem Bühnenauftritt angeblich einer Fledermaus den Kopf ab. Künstlerische Provokation? – Oder doch eher ein antibürgerlicher Dachschaden im pathologischen Gehirn einer narzisstischen Persönlichkeit? Wenn man meinen Ekel damit provozieren will, so gelingt das – aber man behaupte nicht, das habe mit Kunst zu tun. Da kann ich sehr intolerant werden und mit der Palette zuhauen…
Zurück zu den Dadaisten : Neben dem Medium Sprache drückt sich Dada auch in der Malerei aus und geht hier neue Wege. Manches wird eine Anti-Malerei. Sie spiegelt den Geist des Dada wieder, den Kampf gegen das Bürgertum; gegen die Meinung, Kunst sei gleich guter Geschmack, Kampf gegen Kunsthändler, Kunstsammler. Die Kölner Dadaisten betrachteten auch die Arbeiten von Kindern, Sonntagsmalern und Geisteskranken als Ergebnis kreativer Tätigkeit und hielten sie für ausstellungswürdig. Das Motto der einzigen Ausgabe der Zeitschrift " Die Schamade" lautete: Dilettanten erhebt euch! " Wenn der Künstler untergeht, fängt die kunst zu schwimmen an, und wenn der mensch untergeht ,beginnt der dilettant."
Manche Künstler stellen absichtlich Kunstwerke her, die auf Grund der Darstellungsweise oder der Materialien unverkäuflich sind! Doch entstehen dadurch auch neuartige Darstellungsformen, die nicht mehr aus der Welt zu kriegen sind, z.B. die Collage.
Der deutsche Maler und Schriftsteller Kurt Schwitters wurde für seine Collagen, die aus überflüssigem Papier und ähnlichen Materialien zusammengesetzt wurden, berühmt. Meist ließ er den Zufall walten, ließ einen Haufen Papier , oft Zeitungsschnipsel, auf ein Blatt fallen und klebte die Stücke dann so an, wie sie gefallen waren. Er nennt diesen Vorgang „merzen“. „Merz“ ist für Schwitters nicht allein Name oder Kategorie, die dazu dient seine Werke einzuordnen. Merz ist für Schwitters vielmehr der Ausdruck seines Lebens. Er betrachtet sein Leben als ein Gesamtkunstwerk – Leben und Kunst miteinander vereint. Abgeleitet hat Schwitters das Wort „Merz“ von "Kommerz". Er fand es geschrieben auf einem Zettel, einer Art Reklame, den er vom Weg aufhob. Äußerlich betrachtet kann man Merz in etwa so beschreiben:
Kurt Schwitters geht die Straße entlang, schaute sich um nach dem, was da vor ihm liegt und hebt es auf. Zeitungsausschnitte, Busfahrscheine, Bindfäden, Nägel, Haare oder Holzstücke – Müll, wie viele von uns sagen werden. Diese Fundstücke setzt Schwitters zu Collagen zusammen, allein oder zusammen mit Zufallsbekanntschaften, die er unterwegs auf seinen "Beutezügen" von einem Papierkorb zum nächsten trifft.
Merz ist für Schwitters ein Ausdruck dafür, Neues aus „alten Scherben“ aufzubauen. Die Collage als Abbild seiner inneren Revolte nach dem Krieg. Das Zerstörte neu aufbauen.
Neben seinen Collagen „merzt“ Schwitters auch seine Lautgedichten. Dahinter steckt der Gedanke, dass die Welt banal ist und das Banale darauf wartet, ergriffen und künstlerisch umgeformt (d.h.vermerzt) zu werden: "Ich habe Banalitäten vermerzt, d.h. ein Kunstwerk aus Gegenüberstellung und Wertung an sich banaler Sätze gemacht."
Sein Lebenswerk gipfelt im so von ihm genannten Merzbau. Der Merzbau ist der Raum, indem Schwitters seine übergroße Zahl an Plastiken, Skulpturen und Collagen arrangiert. Er lässt somit erstmals ein begehbares Kunstwerk entstehen. Drei Merzbauten erschafft Schwitters insgesamt. Den ersten beginnt er 1923 in Hannover aufzubauen. Er entsteht zunächst aus seinem Wohnhaus und Atelier, die Räume werden dafür in 13jähriger Arbeit zu einer begehbaren Gesamtskulptur umgestaltet. Er hatte zahlreiche kleine Hohlräume in einem Zimmer geschaffen, die alle von unterschiedlichster Größe, Form und Richtung waren. Er selbst nannte sie „Höhlen“. Als der Raum voll mit diesen Höhlen war, musste er die Decke durchbrechen, um damit weiterzumachen. Jede dieser Höhlen stand für eine seiner persönlichen Gedanken und Erinnerungen. So gab es zum Beispiel eine Arp-Höhle, in der er die Erinnerungen an Hans Arp aufbewahrte. So auch eine gerauchte Zigarette und ein Fläschchen Urin. Leider wurde der Hannoveraner Merzbau durch Angriffe der Alliierten im zweiten Weltkrieg zerstört. 1937 muss Kurt Schwitters Deutschland verlassen – der Makel "entarteter Künstler" traf auch ihn. Er emigriert nach Norwegen – zunächst allein, denn seine Frau Elma trennt sich von ihm und bleibt zusammen mit dem gemeinsamen Sohn Ernst in Deutschland. In Norwegen beginnt er dann den zweiten Merzbau in Lysaker. 1951 wird auch dieser durch einen Brand zerstört. Als sich 1940 der deutsche Nationalsozialismus auch in Norwegen ausbreitet, emigriert er nach England, wo er 1947 mit dem dritten und letzten Merzbau beginnt. Dieses Werk kann er nicht mehr vollenden, Kurt Schwitters stirbt 1948 nach einem Versagen von Lunge und Herz.
Die Collagentechnik entsteht also innerhalb des Dada. Am Rande sei hier bemerkt, das Dadakünstler mit ihren Werken und der Absicht, den Betrachter provokativ anzusprechen und zu irritieren, wichtige Eckpunkte für das noch junge Medium „Werbung" setzen. Das Medium Werbung wird für die Industrie und Wirtschaft immer wichtiger und greift in den Dreißiger Jahren gerne auf die Erfahrungen der Künstler zurück.
Die Fotomontage erlebt ebenfalls im Dada ihre Geburt. Die Fotomontage bietet den Dadakünstlern neue Möglichkeiten, ihren Werken eine bislang nicht erreichte Wirkung zu verleihen. Die Fotografie ist zu dieser Zeit noch jung, und die Menschen verbinden mit ihr den Eindruck des "Wahren", des Realen. Mittels künstlerisch und handwerklich raffiniert erstellter Fotomontagen können die Dadaisten Menschen zueinander in Beziehung setzen, wie sie in der Wirklichkeit nicht zu realisieren wären.
Prägnantes Beispiel hierfür ist John Heartfield, ein Deutscher, der mit seinen politischen Fotowerken gegen den Nationalsozialismus polemisierte und sich für die sozialistische Idee einsetzte. Liebe Kunstfreunde, erinnern Sie sich an das bekannte Plakat: Adolf Hitler steht vor einem Mikrophon und hält eine schreiende Kampfrede; man sieht den Kopf, den aufgerissenen Mund, aber sein Körper besteht aus einer Röntgenaufnahme, auf der man das Skelett und große Lungen erkennt; die Wirbelsäule wird durch aufeinandergeschichtete Münzen gebildet. Gegenwärtig vertritt vielleicht Klaus Staeck mit seinen Plakaten am ehesten diese Richtung der Fotomontage. Wer erinnert sich nicht an sein Wahlplakat: „Deutsche Arbeiter, die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen!“
Ein weiterer großer Aspekt dadaistischer Kunst, stellt das Ready Made dar. (ready made = schon fertiggestellt) Als „Ready Mades“ kommen schlichte Alltagsgegenstände und bewusst gewählte Massenprodukte in die Museen der Modernen Kunst: auf einem Sockel und mit Signatur des Künstlers versehen. So wird z.B. ein Urinal, ein Pinkelbecken, zum Kunstwerk erhoben. Dadurch, dass es aus seinem ursprünglichen Zusammenhang herausgehoben und signiert wird. Titel „Fontäne“. Man will damit das bisherige Konzept von Kunst – ein Werk muss geschaffen werden - und das traditionelle Kunstverständnis in Frage zu stellen.
Dabei ging es nicht allein um Provokation. Worauf die Künstler des Ready-Made im speziellen verweisen wollen, ist ihr Standpunkt, dass Kunst nicht der eigentliche Gegenstand ist, sondern die „Wahl“. Die Wahl, die jeder Betrachter trifft, wenn er entscheidet, was für ihn konkret ein Kunstgegenstand ist und was nicht. Der gebürtige Franzose und Wahlamerikaner Marcel Duchamp gilt als der herausragende Künstler im Bereich des Ready-Made.
Im Dadamanifest 1918 formuliert Tristan Tzara: „Kunst soll ein Ungeheuer sein, das unterwürfige Gemüter aufschreckt, kein Bonbon, das die Esszimmer von Tieren in menschlicher Verkleidung schmückt.“
Die Dadaisten wollten ein völliges Aufräumen und schufen nahezu beiläufig viele neue Arbeits- und Sichtweisen für die Kunstentwicklung. Ihre Vorhaben war Antikunst, gegen Akademien, gegen die traditionelle Kunst, eine Kunst gegen Ästhetik. " Seien wir neu und erfinderisch" notiert Hugo Ball in seinem Tagebuch. "Dichten wir das Leben täglich um". Genau damit bliesen die Dadaisten neuen Wind in die Kunstgeschichte, neuen Wagemut und Aufschwung.
Schon bald strahlte der Aufstand der Dadaisten von Zürich nach Deutschland und ganz Europa aus, sogar bis in die USA; in Paris wurde er die Initialzündung für den Surrealismus. In NewYork wirkten Man Ray, Marcel Duchamp und Francis Picabia, weitere Künstler wie Tristan Tzara, Hans Arp, Max Ernst, Johannes Baader, Hugo Ball und Hannah Höch wirkten vornehmlich in Europa.
Als große Bewegung zerfiel der Dadaismus schon ab dem Jahr 1922; man zerstritt sich über den weiteren Weg, bekämpfte sich, war leidenschaftlich, wobei manche Auseinandersetzung , wie z.B. in Paris, auch handgreiflich ausgefochten wurde. Auf einigen Dada-Veranstaltungen kletterte André Breton auf die Bühne und griff die Darsteller während der Aufführung an.
( Video) Manche Protagonisten des Dada wurden prominente Künstler in nachfolgenden Kunstrichtungen, z.B. des Surrealismus. Man ließ die reale Welt mit der Traumwelt verschmelzen und begann, den Betrachter vor unlösbare Rätsel zu stellen. Das Unterbewusstsein und Traumdeutungen sollten der Ausgangspunkt einer künstlerischen Arbeit sein. Es ging somit nicht mehr um eine Anti-Kunst-Haltung. Mitte der 50iger wurde ein Interesse an Dada in New York City unter Komponisten, Schriftstellern und Künstlern wiederbelebt, die viele Arbeiten mit dadaistischen Merkmalen produzierten.
Und heute? Was ist geblieben? Man findet die dadaistische Idee des Ready-Mades von Marcel Duchamp in der heutigen Kunst häufig wieder. Sie dient aber nicht mehr der Zerstörung von Kunst im Allgemeinen, sondern eher als Aufhänger zu inhaltlich freizügiger Interpretation. Das Ready-Made ist in der heutigen Kunst allgegenwärtig und man wird beim Streifzug durch jedes Kunstmuseum bei den zeitgenössischen Werken viele Readymades entdecken. So einen Schock zu wiederholen, wie ihn Marcel Duchamp mit seinem „Urinal damals hervorgerufen hatte, ist jedoch unmöglich. Das ist passé und selbst damals beim zweiten oder dritten Betrachten schon vorbei gewesen. Es ist das passiert, was die Dadaisten niemals wollten, nämlich, dass sie jetzt auch im Museum hängen, neben den Bildern von Pablo Picasso und Paul Klee. Sie wollten eigentlich nur das zerstören, zu dem sie heute manchmal selbst geworden sind: eine etablierte Kunst. Dada ist gesellschaftsfähig geworden. Man findet seine Elemente z.B. in der Musik wieder: Früher im Schlager der 20iger Jahre, etwa bei den Unsinnstexten der Comedian Harmonists; „Ich wollt, ich wär ein Huhn, dann hätt` ich nichts zu tun“. Oder das Kinderlied „ Drei Chinesen mit dem Kontrabass, saßen auf der Straße und erzählten sich was…“
Der Humor und die Ironie des Dadaismus wirkt fort im Lied „Da-da-da“ der Band TRIO, oder in Songs von Helge Schneider.(lernen, lernen, Popernen) In der Lyrik der Nachkriegszeit sprach Ernst Jandl Gedichte wie „vom Vom zum Zum“ oder „Ottos Mops“ :
ottos mops
ottos mops trotzt otto: fort mops fort ottos mops hopst fort otto: soso
otto holt koks otto holt obst otto horcht otto: mops mops otto hofft
otto mops klopft otto: komm mops komm ottos mops kommt ottos mops kotzt otto: ogottogott
Dada kann ursprünglich als künstlerische Reaktion auf die Erschütterungen der Zeit des Ersten Weltkrieges verstanden werden. Der Zerstörung aller gültigen Werte und bürgerlichen Normen wurde eine freie, respektlose Kunst entgegengestellt, die den Bürger oder das Publikum beispielsweise durch Beschimpfungen provozieren sollte. Schauspieler verhöhnten die Zuschauer - und die warfen oft Tomaten und Eier zurück... Am 8. Juni 1966 lässt Peter Handke dieses Vorhaben wieder auferstehen, in Frankfurt am Main im Theater am Turm. Kein Krieg zwar, aber eine ähnliche Reaktion des Publikums und der Presse. Heute vergessen – nur Handtke wurde dadurch berühmt.
In der Malerei hingegen haben sich viele Arbeitsweisen und Techniken durchgesetzt. Von dem Ready-Made und der Collage und haben wir schon gesprochen:
Collage Auf Deutsch bezeichnet man es als Klebebild. Es besteht aus ganz oder teilweise aufgeklebten Materialien (Papier, Karton, Gewebe, Folien). Dabei kann es zeichnerisch oder malerisch überarbeitet sein.
Assemblage (franz. Zusammenfügung) Einbindung von dreidimensionalen Gegenständen in Bilder, welche dadurch Reliefcharakter erhalten. Weitere Varianten der Assemblage sind die sogenannten Combiene-Paintings (Synthese vom gemaltem Bild und Materialmontage) Faltenbilder gehören zur Assemblage dazu.
Decollage Im Gegensatz zur Collage, bei der aufbauend gearbeitet wird, ist die Decollage ein Produkt aus Destruktionsprozessen, wie verwischen, verbrennen, ausradieren, übermalen von Gebrauchsgegenständen.
Objet-trouvé (franz.: Fundstück) Bezeichnung für Fundstücke aus dem Alltag, die meist ohne Veränderung in ein Kunstwerk integriert werden und somit in einem anderen Zusammenhang erscheinen. (z. B. Streichhölzer, Etiketten, Briefmarken, u.s.w.)
Der Dadaismus hat die Kunst früh für alles Mögliche geöffnet: für neue Techniken, für Nonsens, für Materialkompositionen. Er hat auf Musik, Literatur und Kabarett gewirkt, auf die Fotografie, auf die Werbung, auf die Film- und Videokunst. Er hat sich im Universellen aufgelöst - und somit in allen Facetten überlebt.
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